Thesen zur säkular-demokratischen „Leitkultur“1 für die europäischen Gesellschaften


In der Tat beweist uns die Erfahrung, daß die Religion sich nicht dazu eignet, den Strom der Verderbnis einzudämmen, dem viele angestaute Ursachen eine unwiderstehliche Gewalt verleihen. Vermehrt die Religion nicht vielmehr die öffentliche Unordnung durch die gefährlichen Leidenschaften, die sie entfesselt und sie billigt?“

(Paul Thiry d’Holbach: System der Natur, Frankfurt am Main 1978, S.259)


1. Die Identität Europas basiert auf den Werten der Aufklärung und den dadurch geschaffenen Grundinhalten der „kulturellen Moderne“.

2. Die Durchsetzung dieser kulturellen Identität erfolgte in einem hart umkämpften und opferreichen Prozess, der schließlich die revolutionäre Überwindung der vormodernen, feudal strukturierten und religiös legitimierten Herrschafts- und Ständeordnung zum Ergebnis hatte. Damit wurde Europa zur Geburtsstätte einer säkular-menschenrechtlichen Lebensordnung.

3. Diese Überwindung vormoderner Herrschaftsverhältnisse nahm in einem ganzen Ensemble von Prinzipien konkrete Gestalt an. Anzuführen sind hier insbesondere folgende Errungenschaften:

- der Übergang von einer religiös-irrationalen zu einer wissenschaftlich-rationalen (wahrheitsorientierten) Welterklärung als ideelle Basis der europäischen Kultur

- das Konzept der universellen Menschenrechte (gegen die ständisch-religiöse bzw. geburtsrechtliche Zuteilung von Lebenschancen)

- die Trennung von Religion einerseits und Staat, Recht und Privatsphäre andererseits

- die Idee des freien und emanzipationskompetenten Individuums

- die Gleichberechtigung der Geschlechter

- das Prinzip der Gleichstellung der Gesellschaftsmitglieder vor dem Gesetz

- das Recht auf freie öffentliche Meinungsäußerung

- das Regulativ der Gewaltenteilung

- die Prinzipien der Volkssouveränität, der Demokratie sowie der Rechtsbindung der Regierungsinstanzen etc.

4. Kernmerkmal der säkularen Moderne ist die Durchbrechung und Überwindung der absoluten Deutungs- und Normierungsmacht nicht nur des autochthonen Christentums, sondern aller religiösen Weltanschauungen, deren Inhalte und Regeln aufgeklärt-menschenrechtlichen Prinzipien widersprechen und sich gegen eine säkular-demokratische Werte- und Gesellschaftsordnung (Kultur der „Ungläubigen“) richten bzw. diese negieren und verletzen.

5. Unter den aktuellen Bedingungen spätmoderner europäischer Zuwanderungsgesellschaften ist der normative Gehalt der säkular-demokratischen Moderne neu zu justieren und gegenüber „falscher Toleranz“ konsequent durchzusetzen. Das bedeutet, dass religiöse Weltanschauungen und Glaubenssysteme nur in einer Form akzeptiert werden können, in der die Grund- und Menschenrechte nicht verletzt werden, die Lebensordnung der säkularen Moderne akzeptiert und auf das Bestreben verzichtet wird, vormoderne religiöse Herkunftskultur in die Aufnahmegesellschaft „einzubauen“.

6. Insofern rituelle und normative Religionsaspekte mit Grund- und Menschenrechten kollidieren bzw. diese verletzen, muss das Recht auf positive Religionsfreiheit im Sinne einer klaren Prioritätssetzung eingeschränkt werden, d.h. der Grundsatz gelten: ‚Grund- und Menschenrechte vor positiver Religionsfreiheit’. Deshalb kann es auch keine absolute bzw. unbeschränkte Glaubensfreiheit geben und etwa zugelassen werden, dass bestimmte Gruppen ihr gesamtes Verhalten an den Lehren eines Glaubens ausrichten, der in wesentlichen Aussagen und Vorschriften elementaren Grund- und Menschenrechten widerstrebt.

7. Im Verständnis des deutschen Grundgesetzes ist Religion implizit als modernisierte Religion unterstellt, also als „Privatreligion“, die ihre von der antifeudalen Revolution erteilte Lektion verstanden und ihre Platzanweisung akzeptiert hat. Ein solches modernes, individualrechtliches Religionsverständnis kann aber nicht unversehens auf den Islam übertragen werden. Denn: „Den Religionswandel des Christentums in Richtung einer Privatisierung der Religion als Folge der Moderne, d.h. die Säkularisierung, lassen selbst liberale Muslime für den Islam nicht zu“ (Tibi 1996, S. 231). Entsprechend ist der Islam, der in Abhängigkeit von konkreten Kräfteverhältnissen nach alleiniger Geltungsmacht strebt, nicht einfach nur ein privates Glaubenssystem, sondern eine umfassende Weltanschauung, politische Doktrin und Herrschaftsideologie. Als solche ist er aber - wie jede nach totalitärer Deutungs- und Normierungsmacht strebende Weltanschauung - nicht durch Artikel 4 GG geschützt.

8. Grund- und menschenrechtswidrige Weltanschauungen und kulturelle Traditionen - auch und gerade religiöser Art - dürfen nicht verklärt, beschönigt und verharmlost werden, bloß weil sie vordergründig und oberflächlich betrachtet „anders“, „fremd“, „nichtwestlich“ etc. sind. Die aufklärungshumanistische Religions- und Herrschaftskritik als wesentliche europäische Identitätsgrundlage kennt keinen relativistischen „Kulturbonus“, sondern richtet sich gegen alle reaktionär-antiemanzipatorischen Herrschafts- und Ideologieformen. Deshalb ist es auch völlig verfehlt, „kulturelle Vielfalt“ an sich, also ohne kritische Reflexion der jeweiligen Kulturen und gänzlich inhaltsabstrakt, zum Fetisch zu erheben. Die Duldung, ja Förderung und Bejubelung des ausufernden Migrationsimports unaufgeklärter, rückständiger und autoritärer Kulturen, die mit den europäischen Grundwerten unvereinbar sind und deshalb weder „Toleranz“ noch „Respekt“ verdienen, ist kein Zeichen von Stärke, sondern führt mittel- und langfristig zur Schwächung und „bunten“ (Selbst-)Zerstörung der europäischen Moderne.

9. Die pseudomoralisch daherkommenden Parolen wie „Weltoffenheit“, „Buntheit“, „Diversity“ etc. sind zum einen Zeichen naiver (postmoderner) „Gutmenschlichkeit“. Zum anderen sind sie Ausdruck einer fatalen Realitätsverkennung. Insbesondere ignorieren oder verleugnen sie den zentralen Tatbestand, dass die glaubensdogmatischen Grundlagen des Islam Hass, Gewalt und Vernichtungswillen gegen Anders- und Ungläubige beinhalten und auf die Formung einer entsprechende Subjektivität abzielen: Wer sich Allah pflichtgemäß unterwirft, ist bestimmungs- und herrschaftsberechtigt gegenüber dem ‚pflichtuntreuen‘ (ungläubigen) Teil der Menschheit. „Die spezifische Widersprüchlichkeit des islamischen Subjekts erscheint demnach als dialektische Verbindung von Gottesknechtschaft (Unterworfenheit) und Befehlsanspruch (Herrschaftsanmaßung): Der streng gläubige Muslim als unterworfener Unterwerfer.“2

10. Die kritische Vernunft erfordert es demnach , sich von zwei realitätswidrigen Dogmen bzw. Vorurteilen zu befreien, die sich unversöhnlich gegenüber stehen und zwecks politischer Stimmungsmache beständig aktualisiert werden: Zum einen das xenophile Klischee, wonach alle Ausländer/Immigranten ohne nähere Erfassung und Bewertung von Eigenschaftsmerkmalen per se eine gesellschaftliche Bereicherung darstellen. Zum anderen das xenophobe Klischee, wonach alle Ausländer/Immigranten ohne nähere Erfassung und Bewertung von Eigenschaftsmerkmalen per se eine gesellschaftliche Belastung darstellen. (Diese Position wird nur von einer verschwindenden Minderheit vertreten!)

Demgegenüber benötigen wir die Durchsetzung einer differenzierten Sichtweise sowie einer ebenso differenzierten „Willkommenskultur“ auf der Grundlage einer vorurteilsfreien Beschaffenheitsanalyse konkreter Zuwanderergruppen:

- Offene Türen für qualifizierte, bildungsorientierte und integrationswillige Immigranten, die sich den Leitideen der kulturellen Moderne anpassen bzw. diese befürworten und sich soziokulturell assimilieren.

- Beendigung der Alimentierung, rechtlichen Duldung und offiziellen Ignorierung bis Verharmlosung von integrationsunwilligen Zuwanderern mit einem vormodernen, antiemanzipatorischen, reaktionär-menschenrechtsfeindlichen Einstellungs-, Bewusstseins- und Handlungsprofil.

11. Angesichts der aus dem Islam entsprießenden gewalttätigen Barbarei in Gestalt einer globalen terroristischen Massenbewegung3 sowie der zunehmenden Islamisierungstendenzen4 innerhalb der europäischen Gesellschaften ist jetzt ein neuer europäischer „Patriotismus der kulturellen Moderne“ erforderlich, der Feigheit, Gleichgültigkeit und „mürrische Indifferenz“ durch offensiven Kampfgeist zur Verteidigung der europäischen Werte und der auf ihnen beruhenden Lebenskultur ersetzt.

 

Hartmut Krauss

28.05.2017

 


 

 


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