Hartmut Krauss


AfD, nationalistischer Kulturrelativismus und „Islampolitik“



Zum Teil aufgrund medialer Zuschreibungen, aber auch infolge von (verzweifeltem) Wunschdenken angesichts fehlender Wahlalternativen wird die AfD als „islamkritische Partei“ wahrgenommen. Doch entgegen vielfacher illusionärer Verkennung und falsch projizierter Hoffnungen vertreten die „neurechten“ AfD-Vordenker gar keine wissenschaftlich fundierte menschenrechtlich orientierte (emanzipatorische) Islamkritik. Ihr Basiskonzept ist vielmehr eine ethnopluralistische, im Grunde unkritische Haltung gegenüber dem Islam aus dem Geist eines nationalistischen Kulturrelativismus. Dessen Credo lautet: „Wir haben eigentlich nichts gegen den Islam. Wir wollen ihn nur nicht hier in Deutschland.“ Dabei steht der ethnopluralistische Kulturrelativismus im direkten Gegensatz zum multikulturalistischen Kulturrelativismus. Dessen Grundposition lautet wiederum: „Wir haben nichts gegen fremde Kulturen wie dem Islam. Deshalb befürworten und verteidigen wir auch seine ausübungsfreie Existenz in Deutschland“.

Was diese beiden äußerlich gegensätzlichen Positionen des nationalistischen und multikulturalistischen Kulturrelativismus vereint, sind zwei grundlegende Dogmen:

1. Kulturen, die prinzipiell als homogen und undialektisch strukturiert unterstellt werden, dürfen nicht „vom Standpunkt außerhalb“ kritisch analysiert, verglichen und bewertet werden. Demgegenüber wird die Menschheit in inkommensurable, absolut differente und deshalb gleichberechtigte Kulturen - unabhängig von ihrer realen Beschaffenheit - zerstückelt, wobei das individuelle Subjekt seiner jeweiligen fatalistisch vorgegebenen Herkunftskultur unentrinnbar ausgeliefert bzw. unterworfen sein soll.

2. Den Menschenrechten bzw. allgemeinmenschlich-emanzipatorischen Wertmaßstäben kommt keine universelle Gültigkeit zu. Vielmehr werden diese grundlegenden Orientierungen als „kultureller Imperialismus“ der westlichen Moderne verworfen und damit die jeweiligen Kulturen gegenüber kritischer Reflexion immunisiert.

Der „rechte“ Ethnopluralismus sowie der „grüne“ Multikulturalismus fügen sich damit nahtlos dem Postmodernismus und dessen „Affekt gegen das Allgemeine“ ein. Letztendlich geht es um die (arbeitsteilige) Negation einer aufklärungshumanistischen Leitkultur durch globalkapitalistische und nationalistische Kulturrelativisten, religiöse Fundamentalisten sowie orthodoxe (Mehrheits-)Muslime im Besonderen.

Vgl. hierzu ausführlicher:
http://www.glasnost.de/autoren/krauss/kumpanei.html

Zum islampolitischen Konzept der AfD vgl. die Thesen von Tillschneider:
http://www.derfluegel.de/2016/01/25/prinzipien-alternativer-islampolitik-i/


und die Kritik daran von C. Meyer:
http://journalistenwatch.com/cms/wie-sich-der-kulturrelativismus-in-die-islamkritik-einschleicht/

Die Alternative zu diesen beiden Varianten kulturrelativistischer Islampolitik ist programmatisch dargelegt in folgenden Texten:
http://www.gam-online.de/text-Wiener%20Appell.html

http://journalistenwatch.com/cms/100-punkte-zur-kritik-am-islam-als-menschenrechtswidriger-herrschaftsideologie-und-an-unserem-umgang-mit-ihm/

Die islamkritisch „Angehauchten“, Interessierten, Überzeugten etc. können damit klar wählen, welcher Position sie folgen. Viele dürften sich bei entsprechender chancengleicher Verbreitung für den „Wiener Appell“ und die „100-Punkte zur Kritik am Islam“ entscheiden. Das Missliche ist nur, dass diese Position bislang keine parteipolitische Vertretungsmacht in die Waagschale werfen kann1, so dass manche dann doch wieder der AfD „hinterherhoffen“ und dabei deren islampolitische Mängel und kulturrelativistische Ideologiebasis verdrängen.

Nun will ich der folgenden (wahl-)taktischen Position gar nicht widersprechen:

„Auch ich als Altlinker sehe in der Wahl der AfD im Moment den einzigen Hebel, die unheilige Allianz aus Altparteien, neoliberalen Kapitalgruppen, gutmenschlichen Neulinken, Islamlobby und Migrationsbranche zu schwächen.“

Aber ist es für „nichtrechte“ (säkulare, liberale, altlinke etc.) islamkritische Kräfte, die den Kulturrelativismus in jeder Form ablehnen und eine emanzipatorisch-religionskritische Überzeugung aufweisen, nicht ein Armutszeugnis, sich nur (passiv oder aktiv) auf die AfD zu fixieren, anstatt sich an der Stärkung, Verbreiterung und besseren (oder überhaupt erst herzustellenden) Vernetzung der fortschrittlich-menschenrechtlichen Islamkritik zu beteiligen?

Ist Deutschland bereits geistig-moralisch und politisch so weit heruntergekommen, dass es nur noch die Bipolarität zwischen der „unheiligen Allianz“ des proislamisch-multikulturalistischen Herrschaftsblocks einerseits und von AfD/Pegida andererseits hervorzubringen vermag?


Die proislamische „Refugees-welcome“-Querfront als zu entmachtendes Hauptübel

Bei aller notwendigen Kritik an der kulturrelativistischen Islampolitik der AfD und deren nationalkonservativen Führungsideologien sowie christlich-reaktionären Einflüssen2, darf andererseits aber nicht der folgende zentrale Tatbestand außer Acht gelassen werden: In Deutschland herrscht im Einklang mit den ausschlaggebenden ökonomischen Herrschaftsträgern politisch und medial eine proislamische und muslimophile Querfront unterschiedlichster anti-aufklärerischer Interessengruppen (Exportorientiertes Großkapital, Migrationsindustrie, Kirchen etc.), die im Begriff sind, in rapidem Tempo die residualen Grundlagen der Kulturellen Moderne und der säkularen Demokratie zu zerstören. Ihr Grundanliegen3 ist die „Integration“ des Islam in das reaktionäre und überlebte deutsche Staatskirchenrecht und damit die staatliche Legitimierung eines sich Stück für Stück ausbreitenden Islamisierungsprozess „auf leisen Sohlen.“ Unter dem formalistischen Fetisch der „Religionsfreiheit“ bei gleichzeitiger Außerachtlassung und Verkennung der grund- und menschenrechtswidrigen „Religionsinhalte“ des islamischen Weltanschauungssystems wird hier die Axt an das tatsächliche Werte- und Normengebäude der europäischen Moderne gelegt4. Nicht das innerhalb der einheimischen deutschen Bevölkerung soziokulturell und lebensweltlich absterbende und zum Teil bereits recht weichgespülte „privatreligiöse“ Christentum ist aus der Perspektive eines kritisch-emanzipatorischen Humanismus das religiöse Hauptübel der Gegenwart und Zukunft, sondern vielmehr die gesellschaftliche Ausdehnung der „ultrareaktionären“ islamischen Herrschaftskultur in Deutschland und (West-)Europa. (Die Hauptgefahr des Christentums liegt heute in der „interreligiösen“ Kumpanei der Kirchenfunktionäre und Theologen mit dem Islam sowie in seiner mitleidsideologischen Rolle als „Barmherzigkeitsfolie“ der Migrationsindustrie.)

Bei der Durchsetzung ihrer Ziele tarnen sich diese Kräfte, die einen umfassenden Diffamierungs- und Ausgrenzungsapparat gegen alle Gegner ihrer antisäkularen Politik installiert haben, als moralische „Gutmenschen“ und „Demokraten“, obwohl sie in Wahrheit alles daran setzen, vermittels der Mainstreammedien eine perfide Gesinnungsdiktatur zu etablieren und auszubauen.

In politisch-organisatorischer Hinsicht reicht diese destruktive Querfront von der parteichristlichen Anhängerschaft Angela Merkels über die Grünen und die notorisch verräterische SPD bis hin zur antimarxistischen (poststalinistisch-revisionistischen) Linkspartei. Auf der Straße unterhält dieses politisch-ideologische Herrschaftskartell einen politkriminellen Straßenmob bzw. eine neue proislamische Schutzstaffel, die sich nicht scheut, Seite an Seite mit den eingewanderten orientalischen Rechtsextremisten aufzumarschieren und diese Kumpanei obendrein mit einem demagogischen „Antirassismus“ verbrämt5.

(Während AfD-Vertreterinnen nur tollpatschig-spekulativ über ein eventuelles „Schießen an der Grenze“ reden, schießen mulitikulturalische Extremisten bereits realiter scharf auf AfD-Plakatierer. Nehmen wir das als Menetekel für die reale innenpolitische Bedrohungs- und Verrohungslage.)

Wer wirklich etwas gegen den gesamtgesellschaftlichen Niedergang Deutschlands tun will, muss diese Querfront definitiv entmachten, zurückdrängen und wirkungsvoll ausschalten wollen. Da die AfD dieser herrschenden Querfront objektiv-funktional entgegensteht und mit ihrem Einzug in die Parlamente deren koalitionspolitische Handlungsmöglichkeiten ein Stück weit einschränkt, ist das überzogene Eifern gegen diese Partei eine überflüssige Sackgasse - gerade auch dann, wenn man ein anderes weltanschaulich-politisches Konzept verfolgt.


Für eine Überwindung des medial inszenierten Gut-Böse-Populismus und eine differenzierte Willkommenskultur

Hier das helle Deutschland unter der Fahne der „Refugees-welcome“-Komitees und Merkels Parole „Wir schaffen das“, dort das dunkle Deutschland von NPD über Pegida bis AfD: dieses bipolare Klischee mit populistischer Gut-Böse-Einteilung war schon von Anfang an falsch und ist seit der Silvesternacht endgültig obsolet geworden.

Die Bundestagsparteien und die ihr zugetanen Mainstreammedien sind absolut unfähig und unwillig einzusehen, dass ein großer Teil der Bevölkerung die ungesteuerte, ungebremste und überwiegend irreguläre Masseneinwanderung von Menschen vornehmlich aus islamisch geprägten Ländern kritisch beurteilt, ohne deshalb „Nazis“ oder „rechts“ zu sein. Denn es gibt gute und vernünftige Gründe, den Islam, seine orthodoxen Grundlagen und die daraus hervorgehenden Auswüchse aus einer fortschrittlich-säkulardemokratischen Perspektive zu kritisieren. Zahlreiche, hier nicht im Einzelnen darstellbare Fakten weisen in diese Richtung. Im Grunde wird genau umgekehrt ein Schuh daraus: Es ist nach klassischen Kriterien eher „links“, den Islam zu kritisieren und eher „rechts“, ihn in seiner Eigenschaft als vormoderne Herrschaftsideologie zu verteidigen.

Ebenso ist es nicht nur legitim, sondern zeugt von Realitätstüchtigkeit, die zahlreichen problematischen Facetten des ungeregelten Einwanderungsgeschehens zur Kenntnis zu nehmen und kritisch zu reflektieren. Das betrifft sowohl die einseitige Lenkung der Flüchtlingsströme nach Europa sowie die daraus hervorgehenden Probleme der vielfältigen infrastrukturellen Überlastungen, qualifikatorische Schwierigkeiten der beruflichen und sozialen Integration und nicht zuletzt gravierende soziokulturelle und normative Differenzen. Ohne alle Zuwanderer unter Generalverdacht zu stellen, ist es zudem unabweisbar, dass ein (zu) großer Teil von ihnen kriminelle und gewalttätige Verhaltensweisen an den Tag legt, die nicht tabuisiert werden dürfen6. Verschleiert und vertuscht man hingegen die von Migranten und Flüchtlingen begangenen Straftaten aus Sorge darüber, bei offener Berichterstattung den Rechtskräften in die Hände zu spielen, so resultiert daraus genau das Gegenteil: Das Messen mit zweierlei Maß, das kommentierende Aufbauschen hier (Straftaten von Rechten) und das kommentierende Bagatellisieren und Herunterspielen dort (Straftaten von Migranten, Flüchtlingen und Autonomen) fördert die pauschale Ablehnung der „Lügenpresse“. So sind Drohungen, Schmähungen und Gewaltaufrufe von einheimischen Rechten zweifellos scharf zu kritisieren. Andererseits aber sind gewalttätige Attacken auf AfD-Politiker nicht minder verurteilenswert - auch dann, wenn diese zum Teil Unsinn erzählen oder abstruse Posen einnehmen.


Um einen vernünftigen Ausweg aus der entstandenen desolaten Lage zu finden, sind zwei Voraussetzungen erforderlich:
1. Die demokratische Mitte muss sich klarer formieren, stärker in die öffentliche Debatte einbringen, den gordischen Knoten der verfehlten Polarisierung auflösen und eine umfassende Wende einleiten.

2. In diesem Kontext benötigen wir dringend eine differenzierte „Willkommenskultur“ und eine entsprechende Umstrukturierung der Gesellschaft:

Offene Türen für qualifizierte, bildungsorientierte und integrationswillige Immigranten, die sich den Leitideen der Kulturellen Moderne anpassen bzw. diese befürworten; Beendigung der Alimentierung, rechtlichen Duldung und offiziellen Ignorierung bis Verharmlosung von Zuwanderern mit einem vormodernen, antiemanzipatorischen, reaktionär-menschenrechtsfeindlichen Einstellungs-, Bewusstseins- und Handlungsprofil bis hin zur erweiterten Reproduktion grundrechtsfreier Zonen und krimineller Gegenmilieus mit eigener ‚Paralleljustiz‘.

 

 

Anmerkungen:

1 Eine solche Partei wäre als „Säkular-demokratische Partei Deutschlands“ zu konzipieren und würde eine fortschrittlich-menschenrechtliche Islamkritik als ein Schwerpunktthema behandeln.

2 Allerdings halte ich Michael Schmidt-Salomons These, die AfD sei „die Speersitze des christlichen Fundamentalismus“ für überzogen. Damit stellt man alle AfD-Mitglieder, Wähler und Sympathisanten unter einen unhaltbaren Generalverdacht. De facto dürfte es unter der AfD-Klientel auch viele frustrierte Säkulare geben, die von der weitgehend antiislamkritischen und einseitig „christophoben“ Haltung der altsäkularen Verbände angeödet sind und die christlich-konservativen, aber islamkritischen Akteure vergleichsweise für weniger abstoßend halten als die grünen und pseudolinken Beschützer des Islam und seiner ultrareaktionären Anhängerschaft.

3 Dieses Grundanliegen ist setzt sich aus unterschiedlichen Gruppeninteressen zusammen.

4 Dieses Werte und Normengerüst der Kulturellen Moderne existiert jenseits der konterkarierenden nihilistischen und amoralischen Kapitallogik.

5 Im Unterschied zu den einheimischen Rechtsextremisten sind weder die zahlenmäßig stärkeren orientalischen Rechtsextremisten noch die proislamische Schutzstaffel hinreichend geächtet und eingehegt.

Vgl. http://www.hintergrund-verlag.de/texte-islam-krauss-wider-den-rechtsextremismus-innerhalb-und-ausserhalb-der-islamischen-communities.html

Auch hier herrscht eine sehr einseitige und deshalb mehr als fragwürdige „Anti-Rechts-Industrie“.

6 Die These, die muslimischen Flüchtlinge seien in der Mehrheit „Antiislamisten“ oder Abtrünnige vom orthodoxen Islam, die nicht ihre vormodernen Orientierungen, patriarchalischen Geschlechterdiskurse und antiemanzipatorischen Lebensmodelle einschleppen und reproduzieren wollen, läuft auf eine illusionäre Verkennung der Realitäten hinaus.



zum Anfang